Wahlforscher geben uns Hinweise darauf, dass der Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union, aber ebenso die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten auch daher rührt, dass die älteren Menschen ihre Wahlberechtigung noch mehr als Pflicht ansehen als die jüngeren. Für jüngere Menschen scheinen die Segnungen der Demokratie auch selbstverständlicher zu sein, weshalb man die (partei-)politische Arbeit vernachlässigen dürfe?
Die letzte Bundestagswahl gab einen ersten Ausblick darauf, was der demografische Wandel für die Demokratie in Deutschland bedeuten könnte. Demnach sind erstmals die Hälfte der Wählenden älter als 55 Jahre gewesen. Es geht darum, wer an der Wahl konkret teilnimmt und seine Stimme abgibt. Wir wissen aus Untersuchungen, dass von den 20 Millionen wahlberechtigten Menschen über 65 Jahre rund 80 Prozent ihre Stimme abgeben, während von den rund 10 Millionen Wahlberechtigten unter 30 Jahre nur 60 Prozent einen Sinn in der Stimmabgabe sehen. Da verschieben sich strukturell Interessen und Inhalte zugunsten der Älteren.
Wenn nun Schülerinnen und Schüler freitags für mehr Klimaschutz demonstrieren, so nutzt das dann etwas, wenn sich in den Parteien und Parlamenten die Mehrheiten für diese Themen bilden. Doch ein Blick in das Medianalter der politischen Parteien prägt ein anderes Bild. Die Hälfte der Mitglieder der CDU und der SPD sind 60 Jahre und älter. Zum Vergleich: die Hälfte der Einwohner/innen der Bundesrepublik Deutschland ist älter als 45 Jahre. Und auch die Mitgliedschaft von Bündnis 90 / Die Grünen bekommt graue Haare: die Hälfte ist bereits älter als 50 Jahre. (FDP: 54 Jahre, Linke: 58 Jahre und CSU: 59 Jahre).
Solange unser Grundgesetz vorsieht, dass Parteien die entscheidende politische Willensbildung organisieren, solange werden sie auch bestimmen, wer ein Mandat in einem Parlament einnehmen soll. Jüngere Menschen werden dabei immer weniger berücksichtigt werden, denn sie finden kaum noch den Weg in die Parteien.
2018 gewann das Projekt „Zukunfts-Check Dorf: Demografischer Wandel – Herausforderung & Chance“ den ‚Demografie-Exzellenz-Award‘. Denn dieses Projekt, eine Initiative des Eifelkreises Bitburg-Prüm, belegt überzeugend, wie die Beschäftigung mit der Zukunft im ländlichen Raum, jüngere Menschen motivierte, sich an diesem Projekt zu beteiligen, sich für Themen zu engagieren und über diesen Weg auch den Zugang zu kommunalpolitischem Engagement zu finden.
Auslöser für das Projekt sind die demografisch bedingten Strukturveränderungen in verschiedenen Bereichen (zum Beispiel Landwirtschaft, Einzelhandel, Gesundheit). Konkret wird das sicht- und spürbar, weil durch die wachsende Alterung der Bevölkerung immer mehr Gebäude leer stehen. Die Struktur des Kreises – 234 Ortsgemeinden, von denen 78 Prozent weniger als 500 Einwohnende, 20 Prozent sogar weniger als 200 Einwohnende haben – bringt weitere Herausforderungen mit sich.
Als größte Herausforderung galt die zu leistende Überzeugungsarbeit. Die Mentalitäten im Kopf mussten geändert werden, zumal der Zukunftscheck so gestaltet ist, dass die Menschen in den Gemeinden Hilfe zur Selbsthilfe erhalten. Es kam auf das Engagement an. Darin muss man Sinn sehen. Es engagiert sich letztlich derjenige, der sich auch mit seinem Dorf identifiziert. Der Zukunftscheck gab den Menschen die Möglichkeit, ihre Dorfentwicklung aktiv mit zu gestalten – und das mit professioneller Unterstützung. 170 der 234 Gemeinden haben sich an diesem Projekt beteiligt, dass mit einem Kreisentwicklungskonzept strategisch und fachlich unterstützt wurde.
Ergebnis ist, dass Aktivitäten entfaltet wurden, für die vorher weder Raum noch Struktur gegeben waren. Insbesondere auch junge Menschen erhielten die Möglichkeit, sich mit ihrer Heimat im ländlichen Raum zu identifizieren. Positiv aber auch, dass mit der Beschäftigung mit der Zukunft, mit den Auswirkungen des demografischen Wandels, mit dem ländlichen Raum auch jüngere Menschen wieder motiviert werden konnten, den Generationenübergang in den Gemeinderäten zu gestalten. Fazit: der Mut, die Herausforderungen des demografischen Wandels als Thema zukunftsorientiert aufzugreifen, Probleme und Herausforderungen aus dem Gemeinderat in die Bürgerschaft zu bringen, die Herausforderungen auch als Chance begreifen zu wollen, hat nicht nur Schwung in die 170 Gemeinden des Eifelkreises gebracht, sondern hat auch die politische Gestaltungslust jüngerer Menschen geweckt. Das Projekt hat ihnen signalisiert, dass es möglich und sinnvoll ist, Zukunft zu gestalten. Der demografische Wandel war und bleibt ein entscheidender Wirkmechanismus. Das sollte anderen Mut machen, dieses Thema aktiv(er) aufzugreifen.