Aus den Bewerbungen für den diesjährigen ‚Demografie Exzellenz Award‘ sind zwölf Personen, Unternehmen, Verbände, Behörden bzw. Organisationen durch eine externe Jury ausgewählt worden, die sich am 2. Oktober 2019 in Stuttgart dem Publikum der Fachtagung „Demografie Exzellenz“ gestellt haben. Denn die Teilnehmenden haben jeweils durch ihre internetgestützte anonyme Stimmabgabe direkt entschieden, wer in dem Wettbewerbsverfahren weiterkommt bzw. den ‚Demografie Exzellenz Award 2019‘ erhält. Für Gerhard Wiesler, Vorstandsmitglied von Demografie Exzellenz e. V. und Partner bei Kienbaum Consultants International GmbH, ist klar: „Im Grunde sind alle Nominierten Gewinner, denn alle haben gute Projekte bzw. Ideen auf den Weg gebracht, sonst wären sie nicht hier.“
Wer sich mit dem Thema beschäftigt, der wird – nicht zuletzt aufgrund der täglichen Presseberichterstattung – wahrnehmen, dass
- eine große Sorge in der Bevölkerung mit der Frage der Pflege und der Betreuung im Alter(n) verbunden ist. Nahezu jede/n Zweite/n beschäftigt dies. Denn schon heute herrscht flächendeckend im Bereich der Altenpflege ein großer Fachkräftebedarf.
- nahezu jede Branche Fachkräfte sucht, manche mehr, manche weniger. Immer mehr Unternehmen sorgen sich um Gewinnung, Bindung und Entwicklung ihrer Beschäftigten.
- das Thema des demografischen Wandels noch immer zu wenig bei den Menschen angekommen ist. Dafür zu sensibilisieren, um Menschen zu Betroffenen und Beteiligten der Gestaltung des Wandels vor Ort zu machen, lautet eine weitere Herausforderung.
Daher wundert nicht, dass die Gewinner 2019 in diesen Bereichen aktiv sind:
Überzeugen konnte Oliver Weiss, Start-up-Gründer aus Stuttgart, der mit Mecasa eine „Online-Vermittlungsplattform für häusliche Betreuungskräfte aus Osteuropa“ entwickelt und gegründet hat (www.mecasa.de). Aus eigener Erfahrung in seiner Familie weiß Oliver Weiss um die Probleme: Die osteuropäische Pflegekraft und die in Deutschland zu Pflegenden kennen sich nicht, wissen zu wenig voneinander und nicht automatisch stimmt auch die zwischenmenschliche Chemie. Dem wollte und hat Mecasa Abhilfe geschaffen. Menschen, die sich für eine Betreuung durch eine osteuropäische Pflegekraft entscheiden, können sich vorab auf der Plattform über die potenziellen Betreuungskräfte informieren. Mit Hilfe eines psychologischen Matching Modells, das gemeinsam mit der Universität Heidelberg entwickelt wurde, soll auch die menschliche Passung gewährleistet werden. Mecasa hat den Ehrgeiz, zu einem „digitalen Ort zu werden, an dem Familien mit Betreuungsbedarf und geeigneten Betreuungskräften aufeinander treffen“. „Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen von derzeit 3,4 Millionen bis 2060 auf 4,8 Millionen anwachsen wird, kommt jeder Facette der Betreuung der älteren Menschen eine lösungsorientierte Bedeutung zu“, so Dr. Sabine Voermans, Vorstandsmitglied und Leiterin des Gesundheitsmanagements der Techniker Krankenkasse.
Überzeugen konnte auch Klaudia Bachinger, Start-up-Gründerin aus Wien. Sie weiß zu berichten, dass nahezu jede/r zweite Rentner/in gern weiterarbeiten möchte: die demografisch bedingte Lücke bei den Fachkräften könnte durch die längere Beschäftigung von älteren Menschen ein Stück weit geschlossen werden. Zudem verfügen ältere Menschen über wichtiges Erfahrungswissen. Doch dafür müsse das Alter bzw. das Altern positiv umgedeutet werden. Und so heißt ihre „Online-Jobplattform für ältere Menschen“ auch WisR (ausgesprochen: weiser). Diese Plattform (www.wisr.eu) bietet arbeitssuchenden „Silver Talents“ die Möglichkeit, kostenlos ein Profil zu erstellen und Job-Angebote einzusehen. Parallel dazu können auch Unternehmen firmeninterne Talente-Pools mit den eigenen berenteten Mitarbeitenden aufbauen. Ziel ist es einerseits, den Wissenstransfer zwischen den Generationen zu fördern und andererseits, Unternehmen Alternativen für die Suche nach Beschäftigten zu bieten. Unternehmensberater Claus Kruse, Vorstandsmitglied und Vorsitzender des BDU-Forums Baden-Württemberg: „Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: immer mehr Menschen über 60 sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt und immer weniger Menschen über 55 sind arbeitslos“. Auch diese Talente werden gebraucht, wenn auch nicht in ihren erlernten Berufen.
Den „Demografie Exzellenz Award 2019“ gewonnen hat auch Torsten Kunkel, Bürgermeister der Gemeinde Pfedelbach (www.pfedelbach.de), im baden-württembergischen Hohenlohekreis gelegen, „stellvertretend für seine vielen engagierten Bürger/innen“. Er sieht den demografischen Wandel insbesondere als Herausforderung für die ländlich strukturierten Kommunen. Pfedelbach zählt rund 9.200 Einwohnende. 1.400 davon leben im größten Ortsteil Untersteinbach. Und als 2018 in diesem Ortsteil die Metzgerei, das Lebensmittelgeschäft und zwei Gaststätten schlossen, lag die Frage „Wie sichern wir in Zukunft Versorgung und Lebensqualität?“ klar auf der Hand. Dabei sollten die Einwohnenden selbst aktiv mithelfen. Erfolgreich durchgeführt wurde ein dreistufig strukturiertes Beteiligungsmodell. Zuerst kamen rund zehn Persönlichkeiten aus dem Ort zusammen, die die Herausforderungen beschrieben und mögliche Wege diskutierten. Dann gestalteten sie eine Zukunftswerkstatt mit rund 40 Multiplikatoren aus dem Ortsteil. Diese Multiplikatoren sollten und wurden von den zehn Persönlichkeiten persönlich angesprochen, informiert und zur Teilnahme motiviert. In der Zukunftswerkstatt sind Vision, Strategie, Ziele sowie Maßnahmenpaket zur Gestaltung erarbeitet worden. Das wiederum wurde auf einer Bürgerversammlung vorgestellt, diskutiert, ergänzt und verabschiedet. Die Multiplikatoren kamen ihrer Aufgabe nach und sorgten für rege Teilnahme: 300 Menschen kamen, erkannten ihre Betroffenheit und wurden zu Beteiligten der Gestaltung des weiteren Prozesses, für das der Gemeinderat 50.000 Euro in den Haushalt 2020 stellen will. Prof. Dr. Uwe Schirmer, Vorstandsmitglied und Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach, weiß aus eigenen Studien, dass noch immer die „Bedeutung des demografischen Wandels unterschätzt wird“.
Der Vorstand ist sich einig: Alle drei Preistragenden belegen auch in diesem Jahr, dass es viele demografische Herausforderungen gibt, aber auch klare Lösungsvorschläge, von denen alle nur lernen können. Deshalb wird es auch 2020 wieder ein „Demografie Exzellenz Award“ geben.
Verantwortlich: Dr. Winfried Kösters, Tel.: 0049227192858