Der demografische Wandel wartet nicht, bis die Corona-Pandemie vorbei und bewältigt ist. So lautete eine der vielen Botschaften, die am 25. November 2020 im Rahmen des ersten digitalen Fachtags des Vereins ‚Demografie Exzellenz e. V.‘ gesendet worden ist.
Doch der Demografische Wandel ist für den Demografie-Experten und Referenten Dr. Winfried Kösters nur ein Megatrend von insgesamt fünf. Dazu zählt er die Digitalisierung und die Diversität der Gesellschaft, die Dekarbonisierung der Wirtschaft, um dem Klimawandel aktiv zu begegnen, aber auch die Demokratie, die keinesfalls selbstverständlich sei. „Diese fünf D’s“, so Kösters, „beeinflussen sich wechselseitig, stellen füreinander Lösungsoptionen dar und wollen zudem alle gleichzeitig bedacht und angegangen werden.“ So entscheide eine immer älter werdende Belegschaft in den Betrieben, ob und wie dort die Digitalisierung angenommen und umgesetzt werde. Eine immer vielfältiger werdende Gesellschaft verlange zudem vielfältigere Antworten und fordert die Führungskräfte in den Betrieben besonders heraus. Denn die demografische Wirkung auf den Arbeitsmarkt belege, dass zukünftig weniger der Arbeitgebende entscheiden wird, wer wann wo arbeitet, sondern die Arbeitnehmenden, wo sie warum arbeiten wollen.
Am Beispiel der Diversität vertieft der Referent die Herausforderung. „Wir kennen fünf Generationen, drei Geschlechter, unzählige Familienrealitäten, Herkünfte, soziale Lebenswirklichkeiten, Milieus, Talente, kulturelle Wertvorstellungen, in denen Menschen aufwachsen, sich aufhalten und zu Hause fühlen“, erläutert Kösters. „Sie alle wollen in ihrer Individualität gesehen und wertgeschätzt werden, sie alle wollen sich gesellschaftlich einbringen und sich dabei auch am Arbeitsplatz wohlfühlen.“
Wie diese gesellschaftliche Vielfalten sich in der Vielfalt der Belegschaften spiegelt, greift Fabian Kienbaum, seit 2018 Chief Empowerment Officer der Kienbaum Consultants International GmbH, in seinem Vortrag auf. Diese Vielfalt im Betrieb gilt es zu binden, zu entwickeln, aber vor allem auch zu führen. Seine Feststellung: „Telekommunikations- und IT-Firmen gestalten die Diversität am besten, Groß- und Einzelhandel am schlechtesten.“ Sein Fazit: „Es gibt eine Diskrepanz zwischen wahrgenommener und tatsächlicher Vielfalt.“ Kienbaum sieht große Herausforderungen auf die Führungskräfte zukommen. So gehe es zum Beispiel um die Zufriedenheit der Diversitäts-Politik des Unternehmens, um Geschlechtergerechtigkeit, um Gleichbehandlung aller ethnischen Gruppen, um Maßnahmen zur Barrierefreiheit, um die Berücksichtigung aller Altersgruppen zum Beispiel in Weiterbildungs- und Beförderungsfragen sowie um die Verankerung von Antidiskriminierung in den Unternehmensrichtlinien. Kienbaum berichtet aber auch von guten Beispielen unternehmerischen Handelns, um diese Vielfalt zu binden, zu entwickeln und zu führen.
Eine der größten Herausforderungen ist es, die älter werdenden Menschen, die anders lernen und andere Fähigkeiten haben, als jüngere Kollegen*innen, im Betrieb zu führen. Die Geragogin Prof. Dr. Julia Steinfort-Diedenhofen, die seit 2013 an der Katholischen Hochschule NRW in Köln lehrt, unterscheidet zwei Intelligenzen: die fluide und die kristalline. Die fluide Intelligenz steigt bis zum 30. Lebensjahr an, um danach kontinuierlich abzubauen, während die kristalline Intelligenz mit dem Altern stetig ansteige. Sie beschreibt sie auch als Erfahrungsintelligenz. Es komme hier auf das gelingende Miteinander dieser Intelligenzen an. Und das wiederum hat ganz praktische Auswirkungen auf den Betrieb selbst. Was Diversitymanagement konkret bedeuten kann, beschreibt Gernot Sendowski, der seit 2018 die Abteilung ‚Global Diversity & Inclusion‘ bei der Deutschen Bank AG leitet – und das mit viel Herzblut. Für ihn ist es wichtig im Betrieb eine Kultur, eine „Haltung der Vielfalt“ aufzubauen und zu leben. Davon, so Sendowski, profitiere nicht nur das Unternehmen, sondern jeder Einzelne.
Wer die Vorträge, aber auch die Diskussion mit den beiden Experten nachhören möchte, dem seien die drei Videos auf der Internetseite www.demografie-exzellenz.de empfohlen. Fazit des Vorstands: „Demografische Herausforderungen zu gestalten, verlangt die Vielfalten der Gesellschaft auch in den Betrieben zu sehen, darüber zu sprechen und mit ihnen zu kooperieren. Veränderungen gelingen letztlich dann, wenn der Schulterschluss von Betroffenen, Beteiligten und Experten erfolgt. Das stellte diese Fachtag unter Beweis.“